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Prof. Henrik von Scheel über die Zukunft des Maschinenbaus

Sana Editorial Team
November 4, 2025
Prof Henrik von Scheel delivers a talk

Prof. Henrik von Scheel, den CNBC zu einem der einflussreichsten Zukunftsexperten unserer Zeit zählt, war im September Gastredner unseres Webinars “Machinery Megatrends”. Vor dem Event haben wir uns mit ihm zusammengesetzt, um über das achtstufige Reifegradmodell in der Fertigungsbranche zu sprechen. Es ging dabei auch um die Frage, warum B2B-Teams die Risiken und Chancen der digitalen Transformation noch immer unterschätzen. Dazu haben Teilnehmer erfahren, warum ERP-integrierter Handel heute die Basis effizienter Betriebsprozesse ist und nicht nur ein nettes Extra. 

Er teilte außerdem spannende Einblicke in den nächsten TrendRadar, noch vor dessen Veröffentlichung. Falls Sie das Event verpasst haben: Sehen Sie sich das Webinar jetzt On-Demand an und erfahren Sie alle praxisnahen Empfehlungen im Detail.

Prof Henrik von Scheel on the future of machinery

    Was verändert sich derzeit am schnellsten für die Maschinenhersteller? 

    Henrik: Wir befinden uns in einer Evolution, nicht in einem einzigen „Urknall“. Industrie 4.0 vollzieht sich in acht Phasen. Diese sind angetrieben von Dutzenden von Megatrends und werden bis mindestens 2050 die Art und Weise, wie wir entwickeln, produzieren, verkaufen und Dienstleistungen erbringen, neu gestalten. Aktuell befinden wir uns in Phase vier. 

    Im Maschinenbau konzentrieren sich die kurzfristigen Prioritäten auf drei Bereiche: Dazu zählen Produktivität (Digital 2.0, Fabrik 4.0, kollaborative Intelligenz, intelligente Automatisierung, industrielle KI) und Resilienz (nachhaltiger Betrieb, Risikomanagement 4.0, prädiktive Intelligenz, stärkere Ökosysteme, Zukunft der Arbeit). Hinzukommt noch das Wachstum (Gewinne aus Nachhaltigkeit, Kundenorientierung, finanzieller Umstrukturierung, Beschaffungsautonomie, Operate-to-Grow).

    Wie haben sich Ihrer Meinung nach die Erwartungen von Kunden und Lieferanten im letzten Jahr am stärksten verändert?

    Henrik: Der Fokus hat sich vom Preis hin zur Planbarkeit verlagert. Kunden legen heute ebenso viel Wert auf Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Rückverfolgbarkeit wie auf Kosten. Sie erwarten Bestellaktualisierungen in Echtzeit sowie transparente Lieferketten und -termine, die auch dann eingehalten werden, wenn Probleme bei der Lieferkette auftauchen. Auf der anderen Seite wünschen sich Lieferanten längere Partnerschaften und eine stabilere Nachfrage, mit Raum für gemeinsame Planung und Innovation. 

    Auch die Customer Experience nimmt eine wichtigere Rolle ein, B2B-Käufer erwarten heutzutage übersichtliche Self-Service-Portale, Personalisierung und eine 24/7-Erreichbarkeit. Extras wie dynamische Preisgestaltung und sofortige Konfiguration, die durch KI ermöglicht werden, gehören ebenfalls dazu. Außerdem hat sich die Gestaltung von Verträgen verändert: Anstatt sie einmal endgültig abzuschließen, wünschen sich beide Seiten gemeinsame Daten und abgestimmte Entscheidungen.  

    Bemerkenswert ist zudem, dass Nachhaltigkeit nicht mehr nur eine Frage der Compliance ist. Kunden verlangen überprüfbare Scope-1- bis Scope-3-Daten, oft bis hinunter zu den einzelnen SKUs. Auf der anderen Seite wünschen sich Lieferanten Unterstützung bei der Erfüllung der Scope-3- und CBAM-Anforderungen. Wenn es eine Option mit weniger CO2-Ausstoß oder ein funktionierendes Kreislaufmodell gibt, betrachten beide Seiten dies zunehmend als Wachstumschance und nicht als lästige Formalität.

    Wo unterschätzen B2B-Unternehmen noch immer Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation?

    Henrik: Ehrlich gesagt, sehe ich immer wieder dieselben Fehler. Dazu hier ein paar wichtige Tipps: 

    • Wir behandeln digitale Technologien immer noch, als würden wir Werkzeuge kaufen. Tatsächlich geht es aber darum, Arbeitsabläufe und Entscheidungsprozesse im Unternehmen grundlegend neu zu gestalten.
    • In Sachen Digitalisierung verzetteln wir uns oft mit Details. Was aber wirklich hilft, sind ereignisgesteuerte, funktionsübergreifende Workflows, die sich in Echtzeit anpassen. 
    • Wir starten „große Transformationsprogramme“, die bei Veränderungen schnell ins Stocken geraten, anstatt in kurzen, flexiblen Sprints einen Mehrwert zu schaffen. 
    • Wir automatisieren die Aufgaben von gestern, anstatt uns zu fragen, welche Aufgaben überhaupt weiter existieren sollten. 
    • Wir überlassen die Veränderung der IT, obwohl sie eigentlich vom Unternehmen getragen werden sollte. Die IT übernimmt dabei die Rolle als wichtiger Wegbereiter. 
    • Wir trennen B2B E-Commerce und ERP und verkaufen deshalb am Ende blind. Verbinden Sie stattdessen beides miteinander, damit Sie gegenüber Kunden halten können, was Sie versprechen.
    Woman in manufacturing plant working

    Warum ist ERP-vernetzter B2B E-Commerce derzeit so wichtig?

    Henrik: ERP-Systeme steuern die Kernlogik Ihres Unternehmens, wie z.B.Lagerbestände, Preisgestaltung, Kundenkonditionen oder Lieferzeiten. Wenn Ihre B2B E-Commerce-Schnittstelle nicht vernetzt ist, verkaufen Sie im Grunde genommen mit verbundenen Augen. Die Integration mit dem ERP stellt sicher, dass Sie Kunden genau das liefern, was Sie ihnen versprechen; in Echtzeit, in großem Umfang und mit Präzision. 

    In meiner Arbeit mit globalen Herstellern und B2B-Führungskräften habe ich immer wieder festgestellt, dass die Integration von ERP und B2B E-Commerce den Wert beider Systeme vervielfacht. Sie beschleunigt die Auftragsabwicklung, reduziert Fehler und schafft Vertrauen. Es handelt sich dabei also nicht nur um eine IT-Anpassung, sondern um einen strategischen Wettbewerbsvorteil.

    ERP-integrated e-commerce software

    Welche Rolle spielen ERP-vernetzte Systeme in der Industrie 4.0?

    Henrik: Sie sind das operative Rückgrat, in dem Echtzeit-Signale in koordinierte Entscheidungen umgesetzt werden. Sie führen Aufträge, Lagerbestände, Preise, Lieferzeiten und Finanzdaten in einer einzigen Quelle zusammen. Dadurch basieren Vertrieb, Lieferkette, Service und Finanzen auf denselben Daten. Durch die Vernetzung von Fertigung und Management werden Produktionsänderungen mit den Plänen und Kundenversprechen abgestimmt. 

    In der Praxis sieht das so aus, dass nach Identifizierung eines internen Problems Ihr ERP-System einen Arbeitsauftrag erstellt, dabei Teile und Kompetenzen überprüft und den Plan anpasst. Daraufhin wird eine Bestellung beim passenden Lieferanten aufgegeben und die Lieferverfügbarkeit aktualisiert, sodass Ihr Portal innerhalb von Minuten statt Tagen den neuen Liefertermin anzeigt. Mein Fazit lautet: In der Industrie 4.0 ist Ihr ERP-System kein bloßes Bestandsbuch, sondern ein Echtzeit-Kontrollzentrum, das Pläne, Abläufe und Versprechen effizient synchronisiert. 

    Über Prof. Henrik Von Scheel

    Prof. von Scheel hat maßgeblich zur Verbreitung der Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 beigetragen. Er war Mitbegründer von Strategic Intelligence, das in den letzten zwei Jahrzehnten die Agenda für das Weltwirtschaftsforum und andere Organisationen mitgestaltet hat. Prof. Henrik Von Scheel ist Mitautor von 153 Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Architektur und IT, die 24 Volkswirtschaften und einen bedeutenden Teil der Fortune-500-Unternehmen beeinflussen. Er berät ebenfalls die EU in Fragen der Politik, unter anderem auch über das KI-Gesetz und klimapolitische Richtlinien (Green Deal, Fit for 55, CBAM).  

    Die Financial Times bezeichnet ihn als international anerkannter Experte in Strategiefragen.

    Profile of Prof Henrik von Scheel delivering a talk

    Sehen Sie sich unser Webinar „Megatrends reshaping machinery manufacturing“ jetzt On-Demand an.

    Werfen Sie einen ersten Blick auf den nächsten TrendRadar 2026, noch bevor er veröffentlicht wird. Finden Sie dabei heraus, wo Sie auf dem Industrie 4.0-Reifegradmodell stehen. In dem Report erfahren Sie außerdem, wie führende Unternehmen Echtzeit-Ersatzteilportale nutzen, um Ausfallzeiten zu reduzieren und den Jahresumsatz zu steigern.  

    Das Webinar ist jetzt On-Demand verfügbar, inklusive praxisnaher Handlungsempfehlungen, mit denen auch Sie Ihre Maschinen zuverlässig am Laufen halten und Ihr Wachstum fördern können. 

    Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview wurde zur besseren Übersicht gekürzt. Wir danken Prof. Henrik von Scheel für seine Einblicke.

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